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Im Projekt Aerothermie wird eine Technologie zur direkten Umwandlung von Windenergie in Wärme erforscht. Hierfür wird durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt eine Pilotanlage entwickelt und betrieben. Diese dient als Versuchsplattform für den Funktionsnachweis der Wärmeerzeugung und Speicherung, sowie zur Messdatengewinnung. Mittels dieser Daten werden Wirtschaftlichkeitsanalysen unter Berücksichtigung verschiedener Nutzungsszenarien durchgeführt und gezielt Optimierungs- und Weiterentwicklungsmaßnahmen abgeleitet.

Wie ist die Idee entstanden?

Eines der drängendsten Probleme der elektrischen Windenergie ist die Fluktuation des Windangebots. Das heißt, dass der Wind nicht immer dann weht, wenn der Strom benötigt wird. Elektrische Energiespeicher lösen dieses Problem, sind aber vergleichsweise teuer. Auf dem 2nd German-Japanese Workshop on Renewable Energies wurde im Juli 2017 eine mögliche Lösung präsentiert: Wärme kann wesentlich kostengünstiger gespeichert werden als Strom. Warum also nicht direkt Wärme aus Windenergie erzeugen? Diese Idee schien so verführerisch, dass sie den Impuls gegeben hat eine windthermische Pilotanlage am DLR zu entwickeln. Dafür haben sich drei Institute zusammengeschlossen und gemeinsam eine Projektskizze ausgearbeitet. Im März 2019 war es dann soweit und das Projekt ist offiziell gestartet. Eine besondere Herausforderung war es, innerhalb kürzester Zeit einen funktionsfähigen Prototypen zu entwickeln. Wir haben zunächst eine thermische Forschungsplattform aufgebaut und die thermische Umwandlung separat erforscht. Erst nach erfolgreichem Funktionsnachweis haben wir die thermische Plattform an die Windturbine angeschlossen. Dafür muss das Drehmoment der Windenergieanlage in Bodennähe abgegriffen werden. Aus diesem Grund haben wir uns für die Windenergieanlage von PSW, einem norddeutschen Hersteller von Kleinwindanlagen entschieden, bei der das Drehmoment standardmäßig über eine sogenannte Königswelle nach unten gelenkt wird.

           Pilotanlage

schematische Darstellung windthermische Pilotanlage

Die Pilotanlage besteht aus einer modifizierten Windenergieanlage und einem Container mit thermischem Anlagenteil. Im Gegensatz zu klassischen Windenergieanlagen kommt hier kein Generator zur Stromerzeugung zum Einsatz. Stattdessen wird die mechanische Energie über einen Triebstrang in den Container geleitet. Dort befindet sich eine spezielle Bremse, ein so genannter hydrodynamischer Retarder. Dieser wandelt die mechanische Energie der Windenergieanlage um, die in einem Warmwasserreservoir gespeichert wird. Von dort aus können Rohrleitungen zur Wärmeversorgung unterschiedlicher Verbraucher gelegt werden. Über ein ausgeklügeltes System von Ventilen können verschiedene Betriebsszenarien gefahren werden. Es ist geplant das System zeitnah um eine mechanische Wärmepumpe zu ergänzen.

Die Komponenten der Pilotanlage

Windenergieanlage

Die Windenergieanlage ist eine handelsübliche Kleinwindenergieanlage mit 15 Kilowatt Nennleistung, wobei bei entsprechenden Windgeschwindigkeiten kurzzeitig Leistungsspitzen von bis zu 30 Kilowatt erreicht werden können. Sie insgesamt 22 hoch und verfügt über 2 Anemometer, um etwaige Messabweichungen am Turm der Anlage genauer bestimmen zu können. Für das Projekt wurde die Windenergieanlage modifiziert. Besonders bemerkenswert ist, dass der elektrische Generator ausgebaut wurde. Weiterhin wurde der Unterbau verstärkt und geöffnet, damit der Triebstrang in den Container geleitet werden kann.

Hydrodynamischer Retarder

Hydrodynamischer Retarder

Hydrodynamischer Retarder im Container.
Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Der hydrodynamische Retarder ist eine spezielle Bremse, die normalerweise in LKWs eingesetzt wird. Wir nutzen ihn nun für die Windthermie. Der Retarder ist dabei sowohl Wärmeerzeuger als auch Regelungsinstrument und damit von besonderer Bedeutung für die Pilotanlage. Durch die Anpassung von Schlüsselparametern kann diese Bremse an die Windenergieanlage optimiert werden. Das ermöglicht nicht nur eine sehr einfache Regelung des Wärmekreises, sondern auch das Abfahren des optimalen Betriebspunktes der Windenergieanlage bei jeder Windgeschwindigkeit.

 

Warmwasserreservoir

Das Warmwassereservoir speichert die Wärme und stellt diese auch bereit, wenn kein Wind weht. Warmwasserspeicher sind im Vergleich zu anderen Speichertechnologien wie z. B. Batterien sehr kostengünstig und werden bereits seit Jahrzehnten eingesetzt. Eine Kopplung der Anlage mit latenten Wärmespeichern, die einen Phasenübergang des Speichermediums nutzen um höhere Energiedichten bei konstanten Temperaturniveaus zu erreichen, ist ebenfalls denkbar.

Wärmepumpe

Wärmepumpen heben die Umgebungsenergie mit Hilfe von Antriebsenergie auf ein höheres Temperaturniveau, sodass Nutzenergie entsteht. Durch die Nutzung der Umgebungsenergie, generiert die Wärmepumpe mehr Nutzenergie als sie an Antriebsenergie benötigt. Sie hat damit eine postive Leistungszahl und erhöht den Gesamtwirkungsgrad der Pilotanlage. In diesem Projekt wird eine vollmodulierende Wärmepumpe zum Einsatz kommen, die genau wie der Retarder den optimalen Betreibspunkt der Windenergieanlage bei jeder Windgeschwindigkeit abfahren kann.

Nächste Schritte

Der nächste Entwicklungsschritt ist es die thermischen Komponenten aus dem Container in die Gondel der Windenergieanlage zu legen. Das ist anwenderfreundlicher und minimiert Kosten und mechanische Verluste. Die größte Herausforderung hierbei ist der Abtransport der Wärme. Hier wollen wir auf bewährte Lösungen zurückgreifen, die z. B. bei CSP-Kraftwerken (Concentrated Solar Power) eingesetzt werden. Die windthermische Anlage kann einfach skaliert werden. Sowohl Windturbinen, als auch hydrodynamische Retarder, modulierende Wärmepumpen und Wärmespeicher sind bereits als Off-the-Shelf Komponenten "von der Stange" im Megawattbereich verfügbar. Außerdem kann diese Technologie einfach in bestehende Heizkonzepte integriert und weltweit eingesetzt werden.

Veröffentlichungen

Fachpublikationen

  • Cao KK, Nitto AN, Sperber E, Thess A (2018). Expanding the horizons of power-to-heat: Cost assessment for new space heating concepts with wind powered thermal energy systems. Energy 2018; 164: 925-36. https://doi.org/10.1016/j.energy.2018.08.173.
  • Neumeier M, Cöster M, Marques Pais RA, Levedag S (2022). State of the art of Windthermal Turbines: A Systematic Scoping Review of Direct Wind-to-Heat Conversion Technologies. ASME J. Energy Resour. Technol., 144(4): 040802. https://doi.org/10.1115/1.4052616.

Studentische Arbeiten

  • Nitto AN (2016). Wind Powered Thermal Energy Systems (WTES). A Techno-Economic Assessment of Different Configurations. Universität Oldenburg. https://elib.dlr.de/103317/.
  • Marques Pais RA (2021). Techno-economic analysis on wind thermal energy converters and renewable heating technologies for process heat in Germany. Universität Oldenburg. https://elib.dlr.de/143675/.
  • Holtorf JO (2022). Entwicklung einer Hardware-in-the-Loop Simulation für ein windthermisches Energiesystem. Hamburg University of Technology. https://elib.dlr.de/185360/