Motivation
Die Energiewende, das heißt die Transformation hin zu erneuerbaren Energien, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Dabei muss gleichzeitig die Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben, ohne dass die Energiepreise für die Endverbraucher in die Höhe schnellen. Erneuerbare Wärmeerzeugung und Sektorenkopplung machen unsere Energieversorgung flexibler. Häufig fällt dabei das Stichwort Power-to-Heat, das heißt die Umwandlung von Windspitzenlast in Wärme. Warum also nicht direkt Wärme aus Wind erzeugen? Windthermische Energie, das heißt die direkte Umwandlung der mechanischen Windenergie in Wärme spart einen Umwandlungsschritt und ist damit potenziell günstiger und effizienter als die indirekte Wärmeerzeugung aus Windenergie.
Potenziale und Chancen windthermischer Energie
Technisches Potenzial
- Wirkungsgrad: Windthermische Anlagen sparen einen Umwandlungsschritt und haben dadurch potenziell einen höheren Systemwirkungsgrad als Power2Heat aus elektrischer Windspitzenlast.
- Off-The-Shelf-Komponenten: Die Technologie kann schnell entwickelt werden, weill sie auf viele Off-the-Shelf-Komponenten, das heißt Komponenten "von der Stange", zurückgreifen kann.
- Einfachere Konstruktion: Windthermische Anlagen benötigen weniger Komponenten als elektrische Windenergieanlagen. Das bringt viele weitere potenzielle Vorteile wie ein geringeres Gewicht, geringere Investitions-, Wartungs- und Betriebskosten sowie eine geringer Störanfälligkeit.
Wirtschaftliches Potenzial
- Riesiger Zielmarkt: Unter Berücksichtigung des Temperaturniveaus, kann windthermische Energie bis zu 25% des weltweiten Energiebedarfs decken.
- Günstige Energieerzeugung: Windthermische Energie ist potenziell kostengünstiger als Power2Heat aus elektrischer Windspitzenlast.
- Günstige Speicherung: Wärmespeicher sind wesentlich kostengünstiger als elektrische Speicher.
Weiteres Potenzial
- Nutzung von Wärmenetzen: Windthermische Energie lässt sich in bestehende Nah- und Fernwärmenetze integrieren.
- Umweltkosten: Windthermische Energie hat potenziell geringere Umweltkosten als andere Technologien.
Anwendungsszenarien
Windthermische Anlagen können ebenso wie elektrische Windenergieanlagen, als große Windparks oder Kleinwindanlagen betrieben werden. Kleinanlagen können Raumwärme bis zu 100°C bereitstellen. Potenziell sind auch Großanlagen denkbar, die Prozesswärme bis zu 600°C [1,2] erzeugen können.
Mögliche Einsatzgebiete sind:
- Raumwärme,
- Nah- und Fernwärmenetze,
- Meerwasserentsalzung,
- Gewächshäuser,
- Papier- und Kartonindustrie,
- Lebensmittelindustrie,
- Textilindustrie,
- Wärmeverstromung,
- Kläranlagen,
- weitere Anwendungen (v. a. im ländlichen Raum).
Bisherige Windthermie-Forschung
Die Idee Wärme direkt aus Wind zu erzeugen ist nicht neu. In den siebziger Jahren wurde bereits ein Protototyp in den USA entwickelt, in Betrieb genommen und erforscht, der eine Windenergieanlage direkt mit einer Wärmepumpe koppelt [3,4,5,6]. Ein ähnliches Projekt wurde Beginn des neuen Jahrtausends in Taiwan umgesetzt [7,8,9]. Andere windthermische Konzepte wurden bisher nur im Labor erforscht, wobei ein Motor die Windenergieanlage emuliert.
Wie funktioniert das konkret? - Windthermische Umwandlungskonzepte
Theoretisch gibt es drei verschiedene Möglichkeiten die mechanische Windenergie in Wärme umzuwandeln [10].
1. Kompressionsbasierte Windwärmewandler
Kompressionsbasierte Windwärmewandler werden mit Pumpen oder Kompressoren (z. B. einem Kolbenkompressor) betrieben. Der Triebstrang einer windthermischen Turbine regt den Zylinder zu einer Auf- und Ab-Bewegung an. Diese Bewegung komprimiert ein Fluid, das sich durch die Kompression erhitzt.
2. Reibungsbasierte Windwärmewandler
Reibungsbasierte Windwärmewandler nutzen das Funktionsprinzip eines Joule Apparats, mit dem James Joule seinerzeit den Nachweis der Äquivalenz von mechanischer Arbeit und Wärme erbracht hat: Eine Flüssigkeit wird gerührt und dadurch erwärmt. In der einfachsten Form treibt die windthermische Turbine ein Laufrad in einem Wassertank an [11]. Alternativ können auch andere Bremsen wie z. B. hydrodynamische Retarder eingesetzt werden, die die Windenergieanlage feinstufiger regeln können [12].
3. Induktionsbasierte Windwärmewandler
Induktionsbasierte Windwärmewandler nutzen den Wirbelstrom eines alternierenden Magnetfelds. Ein elektrischer Leiter rotiert am Triebstrang der windthermischen Turbine innerhalb eines Magnetfeldes. Aus Sicht des elektrischen Leiters ändert sich das Magnetfeld mit der Zeit: es alterniert. Das alternierende Magnetfeld erzeugt einen Wirbelstrom, der als Wärme abgeführt wird. Zusätzliche Wärme entsteht durch magnetische Hysterese [13].
Referenzen
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